Die Tiger 800 XCa hat Biss und ist mit einigen Gimmicks ausgestattet, die das Motorradfahren auch in den bereits etwas kälteren Monaten angenehmer machen.

Tiefes Fauchen, mächtig Vortrieb
Da steht sie nun, die Tiger. Gross und kräftig und bereit, mich auf meinem Abenteuer zu begleiten. Wie sagt man so schön, einen ersten Eindruck vergisst man nie? Ich steige einfach auf und fahre los. Einfach mal spüren, wie sich die Werkseinstellungen anfühlen. Zunächst schlängle ich mich durch den Verkehr. Trotz ihrer Breite mit den massiven Seitenkoffern fühlt sie sich sehr handlich und agil an. Einen wesentlichen Teil trägt der Dreizylinder-Motor bei, denn der liefert bereits bei niedrigen Drehzahlen ein angenehmes Drehmoment. Die leichtgängige Kupplung sowie das präzise Getriebe erleichtern die Start-Stopp-Fahrt hinaus ins Grüne. Endlich erreiche ich die erste Landstrasse, wo ich die Tiger von der Leine lassen kann. Hier zeigt sich nun ihr wahres Potenzial. Ab viertausend Umdrehungen beginnt sie etwas tiefer zu fauchen und liefert mächtig Vortrieb. Die Beschleunigung ist sehr gleichmässig und angenehm. Durch das sich verändernde Motorengeräusch erwartet man einen plötzlichen Ruck, wie dies etwa bei Zweizylinder-Maschinen der Fall ist. Doch dieser bleibt aus. Man spürt, dass die Tiger für die Landstrasse gebaut ist. Mit den ersten knackigeren Kurven unter dem Vorderrad beginnen meine Mundwinkel nach oben zu wandern. Trotz ihres Gewichts von 221 kg lässt sich die Tiger 800 XCa ganz schön flott bewegen. Auf dem Pass angekommen, steige ich erst mal ab, um mir das Motorrad etwas genauer anzuschauen.

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Kalte Pfoten? Nicht auf der Tiger!
Die montierte Auspuffanlage von Arrow ist ein wahrer Genuss. Kraftvoll und doch nicht ohrenbetäubend verleiht sie der Tiger ein eigenständiges Brüllen. Nichtsdestotrotz ist das für Triumph typische Dreizylinder-Geräusch nicht zu überhören. Genau da scheiden sich die Geister. Für die einen klingt es wie eine Nähmaschine, für die anderen ist es die Vertonung von Leidenschaft und Freiheit. Mich persönlich sprach das Motorgeräusch weniger an. Doch es war weit entfernt von störend. Ein absolutes Highlight in diesen grauen Tagen ist die beheizte Sitzbank sowie die beheizten Lenkergriffe. Über zwei grosse Knöpfe am Lenker lässt sich die Heizung der vorderen und hinteren Sitzbank getrennt voneinander einschalten. Beim ersten Drücken leuchtet ein roter Ring um den Knopf, und die Heizung läuft auf Hochtouren. Mit einem erneuten Drücken leuchtet das Licht orange, und die Temperatur wird etwas zurückgenommen. Genau gleich funktioniert es mit den beheizten Lenkergriffen. Die erste Stufe, um die eingefrorenen Finger aufzutauen, die zweite, um sie nicht wieder einfrieren zu lassen. Zusammen mit dem Windschutz für die Hände eine unschlagbare Kombination gegen kalte Finger. Eine weitere sehr praktische Option sind die zusätzlichen LED-Scheinwerfer neben dem Hauptscheinwerfer. Nicht nur bei Nebel leisten die beiden Kraftpakete einen hervorragenden Dienst. Auch bei Nacht erhellen sie die Strasse und tragen so aktiv zur Sicherheit bei. Sie lassen sich – wie bereits die Sitz- und Griffheizungen – über einen grossen Knopf am Lenker ein- und ausschalten. Ihren Betrieb quittieren sie mit einem grünen Licht rund um den Knopf. Auf der Gashahnseite befindet sich der serienmässige Tempomat. Er kann während der Fahrt zwischen 50 und 140 km/h gesetzt werden. Die Prozedur ist etwas gewöhnungsbedürftig, da man beim Gasgeben seinen Daumen auf den Set-Knopf bekommen muss. Doch gerade mit dem Gasgeben wandert der besagte Daumen immer weiter nach unten. Andere Hersteller haben dies besser gelöst, indem sie den Set-Knopf auf die linke Lenkerseite gelegt haben. Ansonsten funktioniert der Tempomat ganz gut.

Eine tolle Reiseenduro
Die Triumph verfügt über elektronisch einstellbare Fahrmodi. Gesteuert werden die durch den elektronischen Gasgriff, dem sogenannten Drive-by-wire. Grundsätzlich kennt die Tiger drei Modi: einen Off-Road-, einen Normal- und einen Sport-Modus. Diese unterscheiden sich im Ansprechverhalten der Gasannahme und der Bremsen. Im Off-Road-Modus zum Beispiel wird das ABS der Hinterradbremse deaktiviert. Im Sportmodus hängt die Tiger viel direkter am Gas. Zusätzlich kann noch ein eigener Modus programmiert werden. Doch da sind wir bereits an einer der Schwachstellen der Tiger angelangt, nämlich der Menüführung. Sie ist wenig intuitiv und bedarf eines vertieften Studiums des Handbuchs. Mit all meinen Vorkenntnissen aus Modellen von anderen Herstellern habe ich es nicht hinbekommen, die Settings zu verändern. Also fahre ich halt im Sport-Modus. Zugegeben, so schlimm ist das nun auch wieder nicht.

Nachdem ich noch mit ein paar kurzen Handgriffen die Federung meinen Wünschen angepasst habe, fahre ich weiter den Pass hinunter. Die Tiger liegt nun deutlich satter auf der Strasse. Die Werkseinstellung war für meinen Geschmack etwas zu weich, sodass das Motorrad in den Kurven die Tendenz hatte zu schaukeln. Auch die Rückmeldung vom Vorderrad kann so deutlich gesteigert werden. Es lohnt sich, das Fahrwerk der Tiger auf seine Bedürfnisse abzustimmen. Doch die Tiger wird nie zum Supersportler. Sie bleibt eine mittlere Reiseenduro, und das macht sie sehr gut.

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Im Hotel angekommen, bringe ich erst mal die Koffer auf mein Zimmer. Trotz langer Fahrt bei Nebel und Temperaturen unter 10 Grad fühle ich mich nicht müde. Die aufrechte Sitzposition sowie die angenehmen Helferlein lassen einen auf dem Motorrad entspannt reisen. Die Tiger 800 XCa ist mit einem Koffersystem aus Aluminium ausgestattet. Die beiden Seitenkoffer öffnen sich in Längsrichtung und bieten eine Menge Platz für Reisegepäck. Das Topcase öffnet sich von hinten und beherbergt ohne Weiteres einen Integralhelm. Die drei Koffer lassen sich mit dem Fahrzeugschlüssel öffnen. Leider kann der Schlüssel nur aus dem Schloss der Koffer entfernt werden, wenn die Schliessvorrichtung verriegelt ist. Doch das stellt keinen grundsätzlichen Nachteil dar. Die Koffer lassen sich sehr einfach entfernen und auch wieder befestigen. Als zusätzlichen Komfort dient das Topcase dem Sozius als Rückenlehne. Serienmässig ist das Modell XCa mit einem Seiten- und einem Mittelständer ausgestattet. Bei Vollbeladung sollte die Maschine auf dem Mittelständer abgestellt werden. Dies gestaltet sich jedoch bereits mit leeren Koffern als fast unmöglich. Der Fusshebel am Mittelständer ist etwas kurz geraten und ungünstig platziert. Will man die Tiger aufbocken, bedarf es viel Kraft und Geschick.

Nach einer kurzen Nacht geht es über Land weiter auf die Autobahn. Hier wird deutlich, dass die Triumph Tiger 800 XCa zwar eine Reiseenduro ist, doch sie ist kein Autobahngleiter. Ihr Revier ist die Landstrasse. Dort fühlt sie sich viel sanfter und ruhiger an. Bei Geschwindigkeiten über 120 km/h reagiert die Tiger sehr sensibel auf Lenkbewegungen, was sie unruhig erscheinen lässt. Zudem fehlt ihr für längere Strecken der nötige Windschutz für die Beine.

Technische Daten Triumph Tiger 800 XCa
Preis ab
Hubraum 779 ccm
Leistung 95 PS
Drehmoment 79 Nm bei 7850 U/min
Länge 2215 mm
Breite 865 mm
Höhe 1390 mm
Radstand 1545 mm
Sitzhöhe von 845 mm
Tankinhalt 19 Liter
Markteinführung 2015

Fazit: Hervorragendes Pendlermotorrad
Die Triumph Tiger 800 XCa eignet sich für alle, die gerne mit einem gewissen Komfort einige Tage über Land verreisen möchten. Durch ihre Agilität kann sie auch hervorragend als Pendlermotorrad eingesetzt werden. Jedoch eignet sie sich in meinen Augen nur bedingt als Autobahngefährt. Die kleine Windschutzscheibe tut bis ungefähr Tempo 100 km/h ihren Dienst hervorragend. Bei höheren Geschwindigkeiten bilden sich Wirbel. Doch Triumph bietet optional eine verstellbare Scheibe an, mit der solche Kleinigkeiten sicherlich ohne Weiteres behoben werden können. Alles in allem ist die Tiger 800 sehr vielseitig einsetzbar.