Beat Roos hat sich in vierzig Jahren vom Tankstellenpächter zu einem der weltweit führenden Spezialisten der Nobelmarke Aston Martin entwickelt. Ein Portrait des anglophil geprägten Automaniacs.

Handwerk auf höchstem Niveau

Betritt man die heiligen Hallen von Roos Engineering in Safenwil, erstarrt man vor Ehrfurcht. Auf dem klinisch reinen Parkett stehen zuhauf Aston Martin-Klassiker in verschiedenen Aggregatszuständen. Vom nackten Alu-Gerippe einer gerade beginnenden Voll-Restaurierung bis hin zur Kosmetik-Kur eines Aston-Youngtimers der Achtziger. Der freundliche und unkomplizierte Umgang mit Managing Director René Gauch und Roos selbst lässt einen jedoch schnell wieder locker werden.

Aus aller Welt liefern Aston-Besitzer ihre vierrädrigen Schätze an, um sie bei Roos von derzeit 15 Mitarbeitern instand setzen zu lassen. Wie der Kunde aus Kuwait, der seinem ultraseltenen DB6 Short Chassis Volante eine Vollrestaurierung und umfangreiche Modifikationen gönnt. Das nur in einer Stückzahl von 37 Exemplaren gebaute Cabriolet von 1965 wird derzeit komplettiert.

Agentenautos & Luxuskombis

Dabei hat Roos schon etliche Highlights in der kleinen und sehr exklusiven Aston-Welt platziert. 1996 baut er im Auftrag eines Kunden den Aston Martin Lagonda Shooting Brake. Ein Auftrag, den Aston Martin selber wegen der Komplexität abgelehnt hat: Die 5.28 Meter lange, aber nur 1,30 Meter flache Luxuslimousine in einen Sport-Kombi zu verwandeln. In einer Qualität, einer Formensprache und der Detailverliebtheit, die originale Astons auszeichnet. Roos nimmt die Herausforderung an. Vier Jahre später liefert Roos das Einzelstück an den Kunden. Das Ergebnis verschlägt einem den Atem.

1998

gewinnt ein von den Schweizern restaurierter Aston Martin DB 4GT den Pebble Beach Concourse d’Elegance, der exklusivste Schönheits-Wettbewerb der Welt für Hochpreis-Klassiker.

2008

bekommt der Aston-Flüsterer den heiligen Gral der Aston Martin- und James Bond-Anhänger in die Finger. Im Auftrag eines Schweizer Kunden ersteigert er einen der vier originalen „Goldfinger“-DB 5 für mehr als 2 Millionen US-Dollar. Der Wagen stammt aus dem Fundus eines aufgelösten Museums und präsentiert sich in einem „musealen“ Zustand. Die Vorgabe des Besitzers: Eine Komplettrestaurierung, die Instandsetzung der 007-Gimmicks, wie Rauchkanone und drehbares Nummernschild. Und das Ganze bitte zulassungsfähig. Der neue Besitzer möchte mit dem Agenten-Aston auch fahren. Roos schluckt kurz und legt los. Eine seiner grössten Herausforderungen, sagt er selbst. Aufgrund der 300 Kilogramm schweren Zusatzausstattung verwindet sich die Alukarosse auf der Hebebühne derartig, dass die Frontscheibe aus dem Rahmen springt. Doch Roos und seine Spezialisten lösen auch diese Probleme und übergeben „Goldfinger“ zwei Jahre später seinem Besitzer.

2011

integriert Roos sein Lebenswerk in die Emil Frey-Gruppe und zieht sich vom aktiven Geschäft weitgehend zurück. Doch Beat Roos hat noch viele Pläne, die er umsetzen will.

wheels!-Chefredaktor Robert Tomitzi im Interview mit Beat Roos über seinen Werdegang, seine Meinung zu modifizierten Klassikern und seine Pläne für die Zukunft.

Wie ist es bei Ihnen damals losgegangen mit dem Thema Auto? Sie haben nicht von Anfang an Aston Martin-Fahrzeuge instand gesetzt?
Ich habe für das südafrikanische Luftamt gearbeitet und kam dann Mitte der Siebziger wieder zurück in die Schweiz. Die Fliegerei hat in Europa einen anderen Stellenwert und ohne Geld einzusteigen, sah ich keine Chance. Dann habe ich in der Zeitung ein Inserat gesehen: „Tankstelle in Wabern zu vermieten!“ So hat es angefangen. Und ziemlich bald hatte ich einen Kunden mit einem Aston Martin DBS.
Ein damals aktuelles Auto?
Das war 1975. Sein Fahrzeug war drei Jahre alt. Und ich kannte Hubert Patthey. Der war lange Zeit Importeur für Bristol, Aston Martin und Jensen in der Schweiz. Und der kam zu mir und hat gesagt, ich könne eine Service-Stelle für Aston Martin einrichten. 1975 haben wir bereits die ersten Verträge gemacht. 1976 sind wir schon wieder umgezogen, in eine ehemalige LKW-Garage in der Nähe von SWISSAIR CARGO. Wir hatten zusätzlich noch zwei Vertretungen: Honda, als erste Vertretung im Kanton Bern und Lada, die russische Marke. Das lief sehr gut. Aston Martin war das eigentlich egal, wenn die in der Schweiz 5–6 Autos verkauft hatten, war das viel. Die meisten Händler waren nur im Nebenamt Aston Martin-Vertreter, weil das nicht viel Geld eingebracht hat. Derjenige in Zürich, Hans Fischer, Luxhof Garage, war auch ein Fiat-Vertreter. 1977 haben wir die Firma um den Karosseriebau erweitert und auch schon mit den ersten Restaurierungen begonnen. Zum Glück hatte ich einen sehr guten Mann gefunden, der aus diesem Metier kommt. Der hat bei der Firma Ramseier-Jenzer Bern Busse gebaut und Blechteile von Hand gefertigt. Er war 27 Jahre bei mir und war an allen grossen Projekten beteiligt.
Und wann kam dann der Schritt, sich zu spezialisieren als Restaurierungs-Betrieb für Aston Martin?
Das passierte schon zu dieser Zeit Ende der Siebziger durch die Vermittlung von Hubert Patthey. Der ist mit dem DB4 GT in Le Mans gefahren, hatte eine Menge Kontakte und uns viele Kunden vermittelt. 1983 sind wir schon wieder umgezogen nach Frauenkappelen. 1990 haben wir auch Honda abgegeben und uns nur noch auf Aston Martin & Lagonda konzentriert.
Was hat Sie so an Aston Martin fasziniert, dass Sie sich so leidenschaftlich in das Thema hineingearbeitet haben?
Wenn man wie ich aus der Fliegerei kommt, ist man natürlich in erster Linie technisch interessiert, besonders an Triebwerken und Motoren. Ferrari war irgendwie nicht mein Ding. Aber Aston Martin hat bereits in den 20er-Jahren tolle Autos gebaut und war im Rennsport sehr erfolgreich. Das ist eine „mechanisch“ interessante Marke. Und ich konnte damals bei Aston Martin in Newport Pagnell mitreden. Ich konnte ins Werk gehen und mit den Verantwortlichen sprechen. Man konnte zuschauen, wie das Auto gebaut wird. Man konnte Einfluss nehmen, sogar kritisieren. Was ja heute nicht mehr möglich ist.

Roos Engineering wurde dann auch offizieller Heritage-Partner von Aston Martin, der Einzige im deutschsprachigen Raum? Sorgte das nicht für Irritationen bei den Engländern?
Das ist ein Punkt. Ein Aston Martin hat mehr gekostet als ein Ferrari. Und ich habe mich als anfangs mittelloser Schrauber in dieser Szene bewegt. Das Management von Aston Martin, das waren „Mechaniker“ an der Front, die haben zugehört, und man konnte sich mit den Leuten an den Tisch setzen und war willkommen. Im Gegensatz zu heute, ich war erst vor Kurzem in Newport Pagnell und es herrschte eine Arroganz, die kaum zu übertreffen ist. Es waren nur noch moderne Autos im Showroom der Heritage-Abteilung zu sehen. Ob das die Zukunft ist?
Roos Engineering ist auch bekannt für Modifikationen oder aufwendige Karosserie-Umbauten, wie zum Beispiel die Shooting Brakes. Gibt es da keine Anfeindungen der Verfechter von 100-prozentiger Originalität?
Aston Martin hat immer auch solche Autos gebaut. Nicht selbst, sondern über externe Karosseriefirmen. Beispielsweise Lagonda-Karosserien von Salmons und Son unter dem neuen Namen TICKFORD. Das war die älteste Coachwork-Firma in England, seit 1820! Und da war auch Radford, die haben später die ersten DB5 Shooting Brakes gebaut. Das war die Philosophie von Aston Martin, die konnten gar nicht alles selbst bauen. Auch hier in der Schweiz wurden Aston Martin-Chassis karosseriert, von der Firma Graber in Wichtrach bei Bern, insgesamt fünf DB2- und DB2/4-Modelle. Die drei Shooting Brakes, die wir gebaut haben, wurden vom Werk akzeptiert. Die bleiben Lagondas und Aston Martins. Das sagt wahrscheinlich alles.
Was war da so die grösste Schwierigkeit, das Projekt umzusetzen auf handwerklicher Ebene?
Der Besitzer hatte zuerst beim Werk angefragt, und die haben gesagt, wir machen das nicht. Das fing schon beim Design an. Wie macht man aus diesem Auto, das nur 1.30 m hoch ist, einen Kombi? Wie können wir in diese niedrige Konstruktion eine Heckklappe einbauen? Wir haben uns dann viel vom Honda-Aerodeck abgeguckt, dessen Heckklappe auch ins Dach eingelassen war. Und dieses System haben wir übernommen. Wir mussten natürlich die Geometrie entsprechend anpassen, bis das funktionierte. Aston Martin hat das Auto dann geprüft und gesagt, sie könnten es nicht besser machen. Der steht zwischenzeitlich wieder bei uns in der Werkstatt für Servicearbeiten. Der Besitzer ist ein treuer Kunde von uns. Das Projekt fing schon vor der eigentlichen Restaurierung an. Drei Tage vor der Auktion rief mich der Kunde an und sagte: «Ich möchte das Auto haben. Könntest du das Auto für mich in Phoenix kaufen? » Und da flog ich hin und bekam den Zuschlag. Diese Restaurierung war wirklich eine Herausforderung. Bei der Umrüstung zum Agenten-Auto wurde viel improvisiert. Es musste ja nur für die Dreharbeiten und Pressepräsentationen funktionieren, und allzu viel Geld war damals wohl auch nicht vorhanden. Ein James Bond-Fan, Dave Worrwall, hat ein Buch geschrieben über dieses Auto, da waren einige Zeichnungen drin mit Skizzen. Das war unsere einzige Grundlage.
Wie setzt sich die Kundschaft bei Roos Engineering heute zusammen? Sie restaurieren ja nicht nur Autos für deutsche und einheimische Kunden.
Die Kundschaft kommt eigentlich aus allen Teilen der Welt. Es haben sich sicher sogar schon Leute aus China gemeldet. Unser Hauptgeschäft ist immer noch die Restaurierung und die Vertretung von Aston Martin-Heritage. Jedes Auto, das nicht mehr gebaut wird, kommt in die Heritage-Abteilung. Das ist natürlich eine grosse Herausforderung, weil die Fahrzeuge mit der Elektronik immer komplexer werden.
Roos Engineering ist Ihr Lebenswerk. Was war der Grund, die Firma in die Emil Frey-Gruppe zu integrieren?
40 Jahre waren für mich das Ziel, aber dann musste ich wegen dem Verkauf des Gebäudes in Frauenkappelen einen neuen Weg suchen. Walter Frey, der Chef der Gruppe, ist ein Auto-Freak, der hat Benzin im Blut, wie schon sein Vater. Mit dem Neuanfang in Safenwil geht es jetzt richtig vorwärts.
Ihr aktuelles Projekt ist die Errichtung eines Museums für die Emil Frey-Gruppe?
Das Museum und die neue Werkstatt werden am 20. Mai 2015 eröffnet. Ein sehr ehrgeiziges Ziel. Aber ich bin guter Dinge. Ein weiteres Anliegen von mir: Ohne ausgebildete Fachkräfte geht es nicht weiter. Wir brauchen Karosserieleute und Mechaniker, die das alte Metier beherrschen. Leute, die aus einer Aluminiumtafel einen Kotflügel bauen. Wir müssen dieses Wissen in die jungen Leute transferieren, die das Interesse und die Motivation mitbringen. Und ich bin sehr stolz, an diesem Projekt mitarbeiten zu dürfen.

Herr Roos, vielen Dank für das Gespräch.

Ein Aston als Investment?

Tja, schöner Bericht, denken Sie, aber irgendwie doch ohne Mehrwert. Einen Aston Martin der Fünfzigerjahre können sich doch nur die wenigsten leisten. Aber selbst für uns arme Schlucker hat Roos einen Tipp. Der 1993 erschienene DB 7 Coupé rettete die Firma aus Newport Pagnell aus der Krise. „Das ist mein Investment-Tipp“, sagt Roos. „Der DB 7 befindet sich jetzt in einer Preistalsohle. Mit etwas Glück findet man ein gepflegtes Exemplar für 30 000 Franken. Der vom heutigen Jaguar-Designer Ian Callum entworfene Sportwagen begründete die aktuelle Design-Linie von und baut auf der Jaguar-Technik des XJS auf.“

Sein persönlicher Lieblings-Aston aus der Neuzeit ist der Vanquish S. „Für mich der letzte echte Aston Martin“, meint Roos. „Und der letzte, der noch in Handarbeit in Newport Pagnell gebaut wurde.“ Ein traumhafter Wagen, um längere Strecken zu bewältigen. Auf deutschen Autobahnen gibt Roos dem 12-Zylinder regelmässig die Sporen. Für einen 528 PS starken Vanquish S sollte man aber schon bereit sein, sein Konto um 100 000 Fränkli oder mehr zu erleichtern. Ob der noch günstiger wird, kann aber selbst Aston-Flüsterer Roos nicht vorhersagen.