Der mörderische V8-Sound aus diesen armdicken Endrohren verschafft jedem Säugetier, dem Menschen inklusive, schlagartig einen Fluchtreflex. Aus 8,1 Litern schöpft der Big Block dieses Pontiac Trans Am von 1971 über 700 PS. Da braucht es schon einen Fahrer mit Unterarmen, wie einst von Popeye, um dieses Monster auf der Rennstrecke zu bändigen. Der Schweizer Roger Bolliger hat seinen Boliden jedoch im Griff. Meistens!
Wenn Roger Bolliger seinen `71er Pontiac Trans Am anschmeisst, verkriechen sich die BMWs und Subarus ängstlich im Unterholz.
Im österreichischen Histo Cup ist der weissblaue Pontiac eine Macht. An ihm gilt es vorbeizukommen. Doch meistens beissen sich die Porsche 911, BMW M1 und auch die Corvettes an ihm die Zähne aus. Einzig und allein die bis zu 500 Kilogramm leichteren CanAm-Rennwagen können dem Brutalo-Coupè Paroli bieten. «Doch die stecken vor der Kurve oft zurück, weil ihr Material viel wertvoller ist als meines«, grinst Roger verschmitzt. «Ich halte halt voll drauf«. So hat er am Anfang des Rennens meist die Kunststoffnase vorne. Doch gegen Ende des Rennens, wenn auch die megabreiten Renn-Slicks vor dem schier unendlichen Drehmoment des V8-Triebwerks kapitulieren, sehen die CanAms eine Chance, wieder nach vorne zu kommen. Das Aluminium-Monster-Aggregat des Fliesheck-Coupés liefert die amerikanische Motorenschmiede Butler Racing. Nach diversen Erfahrungen mit Schweizer Motorenbauern greift Roger wieder auf die Erfahrung der Pontiac-Spezialisten aus Tennessee zurück. «Selbst mit dem Transport aus den USA bekomme ich einen Rennmotor günstiger, als wenn ich den hierzulande aufbauen lasse. Und die Spezialteile kommen sowieso aus Übersee«, sagt Bolliger.
Dass er überhaupt ein so mächtiges Aggregat unter der Haube fahren darf, liegt am grosszügigen Reglement des Histo Cup, der Rennserie wo Roger hauptsächlich die Konkurrenz verbläst. Denn original hatte der Trans Am-Strassenwagen 7,5 Liter Hubraum, die Rennwagen der Trans Am-Rennserie waren gar auf 5 Liter beschränkt. Roger Bolligers Trans Am ist eine Hommage an Jerry Titus, dem amerikanischen Pontiac-Fahrer aus den Sechzigern.
Ein Auto und eine Rennserie mit dem gleichen Namen – Trans Am
«Win on Sunday, sell on Monday« war die Maxime der Trans Am-Rennserie der späten sechziger und frühen siebziger Jahre in den USA. Siegte am Sonntag ein bestimmter Autotyp auf der Rennstrecke, stürmten am Montag die Fans die entsprechenden Autohäuser. In der grossen Klasse über 2 Liter Hubraum machten die amerikanischen Muscle Cars Ford Mustang, Chevy Camaro , AMC Javelin und 1972 Pontiac Firebird die Siege unter sich aus. Dodge Challenger , Plymouth Cuda , Chevy Nova und Pontiac Tempest hatten nicht das Glück . Die 5-Liter grossen V8-Aggregate leisten damals schon 450 PS und mehr. Die Fahrer sind amerikanische Haudegen, gefürchtet wegen ihrer harten Fahrweise auf der Strecke und berüchtigt wegen ihrer derben Spässe vor und nach den Rennen. Einer von ihnen, Jerry Titus. Schon 1967 gewinnt der in New York geborene Ingenieur die Meisterschaft auf einem von Carroll Shelby betreuten Mustang.
1969 wechselt er zu Pontiac, die sportliche Marke im Konkurrenzunternehmen General Motors und fährt bei den 24 Stunden von Daytona einen Klassensieg heraus. Für das Modelljahr 1970 kommt ein komplett neuer Pontiac Firebird Trans Am auf den Markt. Titus baut drei neue Rennwagen auf. Beim Training zum Trans Am-Rennen auf der Rennstrecke Road America kommt es zur Tragödie. Jerrys Rennwagen trifft einen Brückenpfeiler, wahrscheinlich durch ein Versagen der Lenkung. Jerry Titus, Rennfahrer, Ingenieur und Motor-Journalist verstirbt am 09. August 1970.
Der Salzburgring hat eine Streckencharakteristik, wo viel Leistung gefragt ist. Gerade bei der langen Bergaufpassage zur Memphis-Kurve zählt jedes PS und jedes Quäntchen Drehmoment. Hier spielt Roger die PS-Dominanz seines Trans Am aus. So geht er auch Anfangs in Führung und kann den drängelnden CanAm-McLaren hinter sich halten. Doch die Hitze an dem Wochenende und die scharfen Bremszonen vor den Kurven und Schikanen fordern ihren Tribut. Die massiven Rennslicks, montiert auf 12 und 14 Zoll breiten Felgen arbeiten nicht mehr im optimalen Temperaturfenster. Geht Roger jetzt am Kurvenausgang einen Tick zu früh aufs Gas, schmiert das Heck des V8-Monsters gnadenlos weg. Im Qualifying kann Roger den McLaren noch hinter sich halten. Doch in den beiden Rennläufen schlüpft der schwarze Mittelmotor-Rennwagen gegen Ende des Rennens am Trans Am vorbei. Doch für Roger zählt in erster Linie der Spass am Fahren, das Bändigen und Beherrschen des Trans Am. Es ist eben Bolligers bollernder Bolide und Liebling der Zuschauer.
Hier können Sie Rogers Pontiac Trans Am live auf dem Track erleben:
Fotos: Yves-Alain Moor