Die französische Göttin feiert ihren 60. Geburtstag: Zum Jubiläum lanciert Citroën ihr Nobelmodell DS neu, gewohnt elegant und als eigenständige Marke. Wir durften die Göttin und die neue DS 5 in den Strassen von Paris fahren.

Elle est magnifique!
Rassig kommt Philippe Rabusseau angebraust und parkiert seine schwarze DS 21 aus dem Jahr 1971 vor versammelter Journalistenschar. Mit ihm kommen noch fünf weitere stolze DS-Besitzer angerauscht. Der Wind bläst zügig, von Sommer ist an diesem Nachmittag in Paris nicht viel zu spüren, in dieser Stadt, wo bisher alle DS-Modelle entwickelt wurden. Beim Anblick der Göttinnen wird mir warm ums Herz: langgezogene Kühlerhaube, grosse, verglaste Schweinwerfer, abfallende Dach- und Seitenlinie, spitz zulaufendes Hinterteil. Was für ein Auto! Das Design der Citroën DS war ihrer Zeit weit voraus. Innerlich danke ich dem innovativen Designer Flaminio Bertoni für dieses entzückende Auto, das mir heute definitiv den Tag versüssen wird. Ehrfürchtig steige ich zu Philippe Rabusseau ein und versinke in schlumpfblauen Sofasesseln aus Schaumgummi. 520 133 km hat diese schwarze Göttin schon drauf. In den 70er-Jahren diente sie als Behördenfahrzeug der «Banque de la France». Das erkennt man an ihren schwarzen B- und C-Säulen, die bei der DS 21 normalerweise in Aluminiumoptik gefertigt wurden. Mit dieser DS 21 Injection electronique wurden in den 70er-Jahren also reiche Leute durch Paris chauffiert. 20 000 französische Francs hat sie damals gekostet, «heute ist sie 20 000 Euro wert», erzählt Philippe, während er sein Schätzchen durch die Strassen Paris’ dirigiert. Elegant verwaltet er die vier Gänge mit der Handschaltung über dem Steuerrad und hat stets ein Lächeln im Gesicht. Kein Wunder, ganz Paris liegt ihm zu Füssen: Von überall her erreichen in Handgrüsse, die Leute klatschen und rufen ihm zu: Elle est magnifique! Sie ist wunderschön! Vom Fussgängersteig her, auf dem Motorrad oder im Auto nebenan an der roten Ampel. Stets halten die Menschen kurz inne, um die DS zu bewundern. Ein einzigartiges Schauspiel.

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Am Steuer der Göttin!
«Willst du auch mal?», fragt Philippe und lächelt mir aufmunternd zu. Na klar will ich, keine Frage. Ich tausche den weichen Beifahrersessel gegen den ebenso komfortablen Fahrersitz und warte gespannt auf seine Instruktionen. Fuss auf die Bremse, erster Gang rein und langsam aufs Gas. Die DS fährt zügig los, der Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor schöpft aus 2160 ccm dank der elektronischen Kraftstoffeinspritzung 120 PS. Und alles ist so weich: Schaltung, Bremse und Fahrwerk werden hydraulisch betrieben. Vor allem die servounterstützte Bremse ist gewöhnungsbedürftig. Kein Pedal, sondern ein runder Bremsknopf, der aussieht wie ein Champignon. Ich drücke mal kräftig drauf, schliesslich möchte ich wissen, wie lange der Bremsweg dieses Babys ist. Komischerweise gibt der Bremsknopf auch bei zunehmendem Druck nicht nach. Doch die Göttin verzögert anständig. Ich fädle mich ein in die Rushhour von Paris, ein stetes Stop-and-go, und geniesse die Aufmerksamkeit der Menschen um mich herum. Meine Kollegen auf den hinteren Sofasitzen machen es sich gemütlich, und Philippe erzählt von seiner Leidenschaft für die Göttin. «Le style! Très modern!», schwärmt er. In seinem Atelier im 4e Arrondissement in Paris restauriert er alte Déesse. 12 bis 18 Monate Arbeit bringt jedes Auto mit sich, je nach Zustand des Fahrwerks. Denn dort leidet die DS häufig an Rost. «Der Stahl der Nachkriegszeit war von sehr schlechter Qualität», erklärt der DS-Profi. Vor lauter Erzählungen stirbt mir sogar der Motor ab und sofort tritt die grosse Kontrollleuchte im linken Rundinstrument in Aktion und reklamiert signalrot mein Malheur. Doch die DS pardoniert und saust wieder los. Mittlerweile komme ich auch mit der Schaltung über dem Einspeichenlenkrad klar. Zu Beginn bin ich vom ersten in den zweiten häufig im Zwischengang gelandet. Doch nun hab ich die Göttin im Griff und ich merke, welche Vorzüge dieses Auto mit sich bringt: hervorragender Federungskomfort, sicherer Geradeauslauf und immens viel Platz, vor allem auf den hinteren Sitzen, wie meine Kollegen bestätigen. Wir fahren am Eiffelturm vorbei, überqueren die Seine, entlang des Jardin des Tuileries bis zum Musée du Louvre, und wieder zurück ans andere Ufer der Seine. Einfach göttlich!

Mehr über Philippe Rabusseau und seine Arbeit auf www.citrostory.com

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Der französische Traumwagen
Die Resonanz an der Weltpremiere am 5. Oktober 1955 am Pariser Salon war überwältigend: Die Déesse wurde als Revolution und Kunstwerk gefeiert und mit Bestellungen überflutet. Das skulpturale Auto wurde als Ehrenrettung des europäischen Automobilbaus angesehen, «kühner als der kühnste amerikanische Traumwagen». Mit der DS wurde etwas völlig Neues gewagt, sowohl im Design als auch in der Technik. Und in den 20 Jahren Produktionszeit hat sie ihre Besonderheiten nie abgelegt. Für das Design zeichnet der Italiener Flaminio Bertoni verantwortlich. Für ihn stand auch die Effizienz im Vordergrund, die strömungsgünstige Karosserie des Autos machte die Göttin schneller und sparsamer. Der Designer brach mit dem Stil der Zeit und manövrierte die Vorkriegsmodelle und braven Pontonkarossen ins Abseits. Bertoni setzte auf Eleganz, grosse Scheinwerfer, grosse Fensterflächen und einen grosszügigen, lichtdurchfluteten Innenraum. Zu den technischen Innovationen gehören sicherlich das mechanisch funktionierende Kurvenlicht und die Hydropneumatik, welche zur Unterstützung von Federung, Schaltung, Lenkung und Bremsen eingesetzt wurde. Dank der hydropneumatischen Federung konnte sie sogar mit nur drei Rädern fahren. Eine Besonderheit, die in diversen Filmen immer wieder gerne in Szene gesetzt wurde. Die Hydraulik bescherte der DS ausserdem eine sehr leichtgängige Lenkung und damit gute Manövrierbarkeit. Aber auch die Niveauregulierung war eine technische Besonderheit. Mit ihr liess sich die Bodenfreiheit des Autos verändern und die Göttin behielt das Niveau, egal wie stark sie beladen wurde. Dank Leichtbau, das Dach war beispielsweise aus Aluminium, blieb sie schlank und brachte nur gerade 1,3 Tonnen auf die Waage. Mit dem auf Wunsch halbautomatischen Vierganggetriebe mussten die Gänge zwar selbst eingelegt werden, die Kupplung erfolgte aber hydraulisch. Von 1955 bis 1975 wurden die DS 19, DS 20, DS 21 und DS 23 produziert, hinzu kamen verschiedenste Modellvarianten wie Break (Kombi) oder Cabriolet.

Innen wähnt man sich in einem Raumschiff: Der Pilot ist umgeben von fein riechendem Leder, gebürstetem Aluminium, hochwertigem Kunststoff und schönen Ziernähten.

Die Göttin ist zurück!
Mit dem Facelift der DS 5 präsentierte Citroën dieses Jahr die DS-Linie am Genfer Salon erstmals als eigenständige Luxus-Marke, die an die Erfolge der Göttin der 60er- und 70er-Jahre anknüpfen soll. Das Facelift trägt das DS-Logo – die DS-Wings – stolz im Kühlergrill und verkörpert das neue Flaggschiff der Marke. Ein sechseckiger Kühlergrill, chromeingefasst und in die neuen LED-Scheinwerfer fliessend, vermittelt einen eleganten Eindruck. Dazu die Säbel aus glänzendem Chrom, die von den Scheinwerfern bis zur Frontscheibe reichen: Aussergewöhnliches Design, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Futuristisch, fast wie die kultige Vorgängerin! Innen wähnt man sich in einem Raumschiff: Der Pilot ist umgeben von fein riechendem Leder, gebürstetem Aluminium, hochwertigem Kunststoff und schönen Ziernähten. Die breite Mittelkonsole separiert Fahrer und Beifahrer, beherbergt viele Knöpfe, ein klitzekleines Ablagefach und einen hoch angesetzten Schaltknauf, bis sie dann in das Armaturenbrett reicht, wo ein grosser mittiger Touchscreen thront. Alles edel verarbeitet und wohlriechend.

Cool ist auch der dreiteilig konstruierte Dachhimmel: Fahrer, Beifahrer und die hinteren Passagiere entscheiden selber, ob sie sich die Sonne auf den Kopf scheinen lassen oder das Rollo über ihrem Kopf zuziehen wollen. Nachgerüstet haben die Franzosen auch bei den Assistenzsystemen: Zu den üblichen Verdächtigen wie Spurassistent, mitlenkenden Scheinwerfern, Head-up-Display und Berganfahrhilfe gesellt sich neu auch ein Toter-Winkel-Assistent. Toll sind auch die bequemen Sitze mit Massageposition. Motorenseitig gibts auch Neues zu bekunden: Der Benziner mit 165 PS und einem 6-Gang-Automatikgetriebe konnte bei der Testfahrt weniger überzeugen. Doch der 180 PS starke Diesel hat dem Raumschiff schon mehr Temperament eingehaucht. Zwei weitere Diesel (120 und 150 PS), der Diesel Hybrid 4 und ein 200-PS-Benziner runden die göttliche Motorenpalette vorerst ab.

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Fazit
Die DS 5 verkörpert Eleganz und Gelassenheit, genau wie die berühmte Vorgängerin. Hoher Fahrkomfort, tolle Verarbeitungsqualität, neuste Technik und elegantes Design zeigen, wo die Franzosen mit ihrer neuen Marke hin wollen, nämlich ins Luxussegment. Dort hebt sich der schicke, coupéhafte Fünftürer vor allem durch den futuristischen Designstil von den anderen Mitbewerbern ab. Die DS 5 ist anders als die anderen Limousinen. Genau so, wie die Déesse 1955 anders war. Und blieb. Ich bin gespannt auf die Zukunft der Marke, die bisher aus dem Kleinwagen DS 3, DS 3 Cabrio, dem Crossover DS 4 und eben der Limousine DS 5 besteht. In der Schweiz sind bereits 5 Citroën-Händler mit einem DS-Salon-Konzept aufgerüstet worden, weitere 5 DS-Salons sind bereits in der Planung und Endphase und werden noch dieses Jahr eröffnen. Im Juni 2015 eröffnet zudem der erste DS-Store in Genf. Ein weiterer in Zürich ist geplant.

Technische Daten Citroën DS 5 1.6 THP 165 S&S
Preis ab ab 38 400 Franken
Hubraum 1.6 Liter
Leistung 165 PS
Drehmoment 240 Nm bei 1400 U/min
Antrieb Front
0 bis 100 km/h 9.7 Sekunden
Spitze 202 km/h
Verbrauch ab 5,9 Liter (Werk)
CO2 135 g/km
Aussenmasse 453 × 187 × 150 cm
Ladevolumen 468 Liter
Markteinführung Juni 2015
Konkurrenten Audi A5 Sportback 46 800 Franken
Mercedes-Benz CLA 44 200 Franken
Volvo V40 34 700 Franken

Fotos: Citroën, Nadia Rambaldi