Der Volvo XC90 ist ein wahrer Dauerbrenner. 13 Jahre lang verkaufte sich der nahezu unveränderte skandinavische SUV in der Schweiz sehr gut. Der neue XC90 trägt also keine leichte Bürde, macht aber seine Sache sehr gut.
Entspannter Koloss
Wie sagte der berühmte Kollege Jeremy Clarkson einmal: «Volvo-XC90-Fahrer sind die einzigen SUV-Besitzer, denen man nicht spontan ins Gesicht schlagen möchte.» Warum er das gesagt hat? Ganz einfach. Der streitbare TV-Autotester fuhr privat selber drei verschiedene XC90. Aber das nur am Rande. Trotzdem liegt in dieser Aussage ein Fünkchen Wahrheit. XC90-Fahrer werden vielfach als entspannte Partner im Strassenverkehr wahrgenommen und nicht als Gefahr, wie die im Rückspiegel oft riesig erscheinende Konkurrenz. Das mag an unserem Testwagen vielleicht auch an der Farbe liegen. Das «Luminous Sand» genannte Lackkleid lässt den nordischen Raumgleiter in Verbindung mit der hellen Lederausstattung edel und freundlich wirken. Auch die Front mit den knackig gezeichneten Scheinwerfern trägt keine aggressiven Züge, obwohl der neue XC90 im Vergleich zum Vorgänger deutlich an Grösse zugenommen hat. Eigentlich müsste er XC100 heissen. Die geraden und klaren Linien der Karosse verstärken diesen Eindruck noch, und er wirkt noch solider und massiver als sein Vorgänger, eine schwedische Trutzburg. Die klare Designführung wirkt sich auch auf die Übersichtlichkeit aus. Man darf nur dem kleinen Sportwagen davor nicht zu nah auf die Pelle rücken, dann verschwindet dieser im toten Winkel des massiven Kühlergrills. Zum Blick nach hinten unterstützt den Fahrer eine Kamera. Kein SUV kommt ja heutzutage ohne dieses Einpark-Hilfsmittel aus. Die Platzverhältnisse im Innenraum sind in jeder Reihe geradezu fürstlich. Auch wenn man die dritte Sitzreihe aktiviert, bleibt immer noch ein nutzbarer Kofferraum übrig. Ob die helle Lederausstattung allerdings die erste Wahl für einen Familienausflug in die Natur ist, muss jeder für sich entscheiden. Die beheizbaren und belüfteten Sitze bieten viel Seitenhalt und einen Komfort, der seinesgleichen sucht. Die ausziehbare Beinauflage macht auch Grossgewachsene glücklich. Der weitgehende Verzicht auf Knöpfe und Schalter macht die Bedienung zu einem Kinderspiel. Die zentrale Bedieneinheit in der Mitte, ein Touchpad, lädt förmlich zum Wischen ein. Die Menüführung ist aber nicht unbedingt logisch aufgebaut, manchmal dauert es, bis man sich zurechtfindet. Apple- Andreoid- und Wifi-Anbindung sowie die erstklassige Musikanlage mit zahlreich im Innenraum verteilten Lautsprechern verwöhnen die Sinne.
Grosser Dampfer mit kleiner Maschine
So ein dickes Schiff und dann nur ein mickriger Vierzylinder Turbodiesel, der sich im Motorraum verliert und keine Salami vom Teller zieht, mag man denken. Aber bei Volvo sind Sechs- und Achtzylinder eben Geschichte, auch beim über zwei Tonnen schweren XC90. Hier spricht bei Volvo die Stimme der Vernunft. Der 225-PS-Vierzylinder macht seine Sache aber sehr gut, und der grosse Schwede ist keinesfalls eine Wanderdüne. Beeindruckend, dass der Koloss, bestückt mit einem 2,0-Liter-Motörchen in nur 7,8 Sekunden von null auf Tempo 100 stürmt und bei Bedarf 220 Stundenkilometer rennt. Man fühlt sich nie untermotorisiert. Abgesehen von einer kleinen Anfahrtsschwäche gibt sich die Antriebseinheit immer souverän. Hilfestellung bekommt der Diesel von der vorzüglichen Achtgang-Automatik, die in jeder Situation den passenden Gang findet. Allerdings hebt der kleine Motor, wird er gefordert, schon mal die Stimme. Im normalen Drehzahlbereich ist von ihm fast nichts zu hören. Auch die Windgeräusche halten sich im Hintergrund und werden erst ab einem Tempo von über 160 dominant. Obwohl der dicke Volvo nicht zum Rasen da ist, geriet die Federung sportlich straff. Das ist Geschmackssache, der eine mag es so, der andere empfindet das beim Cruisen durch den Grossstadtmoloch eher störend, wenn er jede Fuge im Allerwertesten spürt. Störend in mancher Verkehrssituation ist auch die Breite von 196 Zentimetern plus grosszügig designte Rückspiegel. Auf den engen Strässchen im Tessin zieht man da automatisch in manchen Situationen die Schultern zusammen. Man fühlt sich als Gesamtpaket eben zu breit. Dementsprechend oft meldet sich auch der Spurhalte-Assistent zu Wort. Auch der elektronische Notbrems-Helfer reagiert manchmal etwas überempfindlich. «Ja, ich hab doch gesehen, dass der bremst», entfährt es dann dem Lenker aus Fleisch und Blut. Toll dagegen funktioniert die Einparkhilfe, die den 5-Meter-Riesen selbst in kleinste Parklücken hineinsaugt. Dass der Volvo meist 20 Zentimeter seitlich aus der Parkbucht ragt, ist nicht die Schuld des digitalen Rangierers, sondern der Breite geschuldet.
Als kombinierten Werksverbrauch gibt Volvo für den 2-Tonnen-Diesel optimistische 5,8 Liter an. Keine Chance in der Praxis, an dem Wert auch nur zu schnuppern. Auf der gemütlichen Langstreckenfahrt ins Tessin genehmigte sich der XC90 5D 7,8 Liter. Ebenfalls ein respektabler Wert, wenn man bedenkt, dass der Schwedendampfer plus Besatzung plus Gepäck 2,5 Tonnen auf die Waage schmeisst.
Technische Daten | Volvo XC90 D5 AWD |
Preis | Ab 71 000 Franken |
Hubraum | Vierzylinder, Turbo-Diesel, 2,0 Liter |
Leistung | 225 PS bei 4250 U/min |
Drehmoment | 470 Nm bei 1750 U/min |
Antrieb | 8-Gang-Automatik, Allradantrieb |
0 bis 100 km/h | 7,8 s |
Spitze | 220 km/h |
Verbrauch | 5,8 l/100 km (Werksangabe) 7,8 l/100 km (Praxisverbrauch) |
CO2 | 152 g/100 km (Werksangabe) |
Aussenmasse (LxBxH) | 495 x 196 x 177 cm |
Ladevolumen | 721–1886 Liter |
Markteinführung | 2015 |
Konkurrenten | Audi Q7 ultra 3.0 TDI (75 050 Franken) Toyota LandCruiser Sol Premium 2.8D (74 600 Franken) |
Vor- und Nachteile
- Hohes Sicherheitsniveau, viel Platz, hochwertige Ausstattung
- Straffes Fahrwerk, riesige Ausmasse
Bilder: Mitch Haussener